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Takis Antoniou
Die Apokalypse

Aus dem Neugriechischen übertragen und mit einem Glossar versehen, von Spyros Bokos und Dr. Lorenz Wilkens

Mit sieben Stichen von Albrecht Dürer und Hans Burgkmair, Titelgestaltung und Layout von Lisa Kulot



ISBN 978-3-928832-10-6
Paperback, 90 Seiten, € 15,-



Klein sind geworden die Herzen der Menschen, zu klein für ihr Blut.

Takis Antoniou


Dem industriell verbreiteten Vergessen der Geschichte setzt der griechische Lyriker Takis Antoniou die Konzentration auf die Schreckbilder und Alpträume der Zeit entgegen. Er formuliert sie in den Figuren der apokalyptischen überlieferung. Sie sind nicht prognostisch, sondern diagnostisch zu verstehen. Die visionäre Obsession entspringt der Verzweiflung über den Zusammenhang zwischen allgemeiner Indolenz und kapitalistischer Idolatrie.




Leseprobe...




Ein schmaler Band provoziert einen Haufen Fragen: Warum eine zweite kaum klarer formulierte, kaum konkretere Apokalypse als das Original der Bibel lesen? Warum eine eigenartige Anlehnung ans Original demselben vorziehen, das Glossar ist voll mit Verweisen auf Referenzstellen bei Johannes – was bringt Antoniou Neues? Was bezweckt Antoniou denn mit diesem Bändchen, das leider unkommentiert Dürer-Stiche mit aufnimmt und so den Versen zum Untergang der Welt wohl besonderes Gewicht verleihen will?Apokalyptische Literatur als worst case scenario kommt in der Regel episch daher – das lyrische Wagnis lässt aufmerken: doch was sagt es? Der intellektualistische Klappentext schwadroniert von diagnostischen Schreckensbildern, die aus Verzweiflung über die allgemeine Indolenz und kapitalistische Idolatrie erwüchsen. Nimmt man das dem Büchlein ab? Wer profitiert von Antonious Bildern? Wendungen, die besonders gelungen sind, gibt es wenige, akzeptabel ist: »Ehebrecherische Erde, die Zeit hat das All modern lassen/ die Geräte deiner Weisen rauben/ den Engeln die Erinnerung/ und schrauben sie in ihren Verstand./ Und eines nicht mehr fernen Tages wird Chemie/ den Geist Göttern und Menschen rauben,/ den Engeln die Erinnerung./ Dann werden alle Götter meineidig,/ falsche Propheten und wahnsinnig.«. Allgemeiner: was bringen solche Weltuntergangs-Szenarien? Das Medium sei einmal nebensächlich – der Faktor Unterhaltung ist beim filmischen Aufbereiten a la »The day after tomorrow« freilich am ehesten gegeben. Also zu welchem Zweck verfasst man Apokalypsen? Ist es die gewollte Besserung der Welt , die erhoffte (rechtzeitige) Läuterung (auf dass das gedachte Schreckensbild niemals Wirklichkeit werde)? Bedient man sich deshalb des Prinzips Angst? Aber wer nimmt dieser Tage Apokalypsen ernst? Wissenschaftliche oder lyrische – über welche Untergänge theoretisiert es sich lustvoller? Unernster? Ist der Strafgott nicht nur ein hilfloses Rache-Phantasiechen, das der Kulturpessimist und der Menschenfeind als Selbsttröstung lebendig halten? Oder ist er Fanal für unausgelebte Instandsetzungswünsche der Weltguten? Das Thema ist ergiebig. Was Takis Antoniou daraus macht, leider nicht. Wissenschaftlich, schöner, nähert sich übrigens Gerhard Henschel dem Thema: »Menetekel – 3000 Jahre Untergang des Abendlandes« - erschienen 2010 bei Eichborn.

Leonhard Reul in
Der Bagger – Grabungen zwischen Ernst und Satire Nr. 15, Herbst 2010