dahlemer
verlagsanstalt

Bernd Kebelmann &
Małgorzata Płoszewska (Hrsg.)
Lyrikbrücken


Eine Anthologie von 14 blinden Autoren in 10 europäischen Sprachen!


Wegen großzügiger Unterstützung des Projekts durch Aktion Mensch und das Deutsche Blindenhilfswerk ist es möglich, dieses Buch - obwohl über 400 Seiten dick - zum sensationell günstigen Preis von EUR 18,- anzubieten.


ISBN 978-3-928832-30-4
400 Seiten, EUR 18,-



Gedichte von
Bernd Kebelmann
Pilar Baumeister
József Bènyei
Zsuzsa Csikós
Sára Rietz
Pavel Dvořák
Marcel van Maele
Patricia Sanders
Ryszard Machowsk
Andrzej Bartyński
Jolanta Kutyło
Eero Vartio
Evgen Bavčar
Rune T. Kidde




Brücken bauen statt abbrechen
Rezension von Walther Stonet

Wenn wir uns Europa heute anschauen, reiben wir uns die Augen. Was hatte diese Friedensidee für eine Fahrt, und welche Euphorie durchwallte den Alten Kontinent, als die Mauer fiel und der Stacheldrahtzaun zwischen Ost und West sich hob!

Dieser Impetus, diese unglaubliche und einmalige Idee der Einheit in Verschiedenheit, durchzieht den Lyrikband „Lyrikbrücken“, der nicht ohne Grund und durchaus beabsichtigt hier „verspätet“ besprochen wird. Eines darf an dieser Stelle durchaus wiederholt werden: Lyrik, wenigstens die gute, wird nicht „alt“. Sie bleibt jung, weil sie uns das allgemein Menschliche verdichtet vor Ohren bringt – und man sollte sie nicht im stillen Kämmerlein lesen, sondern sie vielmehr rezitieren oder vorgetragen „zu sich nehmen“. Genau das ist bei den Lyrikbrücken möglich; der Verleger Michael Fischer, den wir in unserem Magazin ebenso vorstellen wie später auch den Autor und Herausgeber Bernd Kebelmann, hat es damals als kleiner Verlag auf sich genommen, neben dem Buch auch CDs von den Veranstaltungen herauszugeben. Dass er dieses finanzielle Risiko auf sich nahm, kann ihm nicht hoch genug angerechnet werden.

Bevor wir zum Band selbst kommen, sollte an dieser Stelle ausdrücklich das Engagement Bernd Kebelmanns hervorgehoben werden. Ohne ihn hätte es die Lyrikbrücken-Lesereihe nicht gegeben, ohne seine permanent treibende Kraft gäbe es auch das Buch und die CDs der Veranstaltungen nicht. Er hat die Idee geboren und unermüdlich immer wieder angeschoben – und am Ende auch den Verleger mit freundlicher Intransigenz zu einem verlegerischen Kraftakt bewegt, an dem der Verlag heute noch knabbert.
Nun wäre das alles nichts, wenn dahinter nicht Qualität und Originalität steckte. Die Tatsache, dass es sich samt und sonders um blinde oder erblindete Dichter handelt, soll hier eher akademisch und am Rande erwähnt werden – weil die Lesungen und Reisen für die Poeten eine eigene Kraftanstrengung bedeutet haben. Das Wunderbare ist, dass sich der Spaß, den sie an dieser Reihe hatten, bis in die Texte und die liebevollen Übersetzungen und Nachdichtungen hinüber gerettet hat.

Das besondere Verdienst ist nicht nur, dass die europäische Idee der Einheit in gleichberechtigter Vielfalt durch diese Reise durch mehrere europäische Länder von vierzehn Dichterinnen und Dichtern regelrecht gefeiert wurde und die Veranstaltungen in ihrer Konzeption eigene Kunstwerke darstellen, die man sich auf CD anhören kann; vielmehr geschieht durch die Übertragung in die anderen Sprachen das, was man das sich Befruchtende der Verschiedenheit nennen könnte. So erfahren wir als Leser und Zuhörer, dass bei aller Verschiedenheit das allgemein Menschliche überall zu finden ist. Das beruhigt und beglückt zugleich, denn so wird der Fremde ein Nachbar und Schicksalsverwandter, er wird einem ähnlicher, als man zu wissen vermeinte. Stereotypen verschwinden, (Art-)Ver-wandtschaften scheinen auf, das Erhoffte, dass der Mensch ein solcher sei, egal welche der babylonische Sprachidiome er oder sie auch spreche, wird zur beglückenden Wahrheit.

Als Fazit darf der Rezensent festhalten: Ja, die 400 Seiten haben sich gelohnt zu lesen. Ja, es ist empfohlen, diesen Band zu erwerben und sich durch ihn selbst dann zu kämpfen, wenn es einmal zu viel der Lyrik wird.

Der Rezensent wünscht sich sehr, dass Bernd Kebelmann die Kraft und die Unterstützung finden möge, seine Idee erneut aufzugreifen und mit seinen Mitdichtern auf eine weitere Reise durch ein illusioniertes und verstörtes Europa zu reisen, das an der Fremdheit zu zerbrechen droht, welche Kriegsflüchtlinge geradezu unvermeidlich über es bringen. Vielleicht gelänge es so, wieder die nötige Zuversicht in das allgemein Menschliche zu finden, uns im Anderen wieder zu erkennen, um am Ende die aktuelle Herausforderung für die europäische Friedensidee am Ende doch glücklich zu meistern.