dahlemer
verlagsanstalt

Johanna van Erden
Havaristen
Theaterstück in zwei Akten



Die Premiere eines nicht näher bezeichneten Theaterstücks findet auf freiem Felde statt. Im Winter.
Warum? – Theater hat gefälligst originell zu sein.
Die Sekretärin des Theaterdirektors soll die versammelte Schar der Kritiker zum Ort der Veranstaltung chauffieren.
Im Winter.

Kurz vor dem Ziel der Reise rutscht der Kleinbus über die Kante eines Abgrunds.
An Weiterfahrt ist nicht zu denken, die Mobiltelefone haben keinen Empfang, die Straße ist kaum befahren und gerade jetzt: gar nicht.

Da müssen die Vertreter des kulturellen überbaus in der Kälte zu Fuß gehen. Für eine Begegnung mit den Resten mitteleuropäischer Natur sind vier Rezensenten, eine blinde Passagierin und eine Direktionssekretärin seelisch, körperlich und bekleidungstechnisch schlecht gerüstet.

Gehen oder Warten?
Hügelauf – oder abwärts?
Wir erleben den schwierigen Prozess der Beschlussfassung. Wir erleben den Aufbruch, den Weg die Straße entlang; Vorhut und Nachzügler.

Schließlich die Erlösung der kleinen Gruppe im Wirtshaus, das eigentlich Ruhetag hat.

Auf dem unfreiwilligen Fußmarsch durch die Kälte reiben sich die Schutzmechanismen allzu zivilisierter Menschen aneinander: Sarkastische Sottisen, paradiesvogelhafte Attitüden, frauenbewegte Ernsthaftigkeiten, vollendete Umgangsformen und so weiter … Die glühenden Farben, in denen die Direktionssekretärin das leider versäumte Kunsterlebnis schildert, wärmen Herz und Hand nicht wirklich.
Fassaden bröckeln, kleinere Erfrierungen sind zu bejammern.
Zarte Neigungen spinnen sich trotzdem an.
Wenn am Schluss die havarierte Truppe im Wirthaus auf Franz trifft, den angejahrten Ureinwohner, findet sie einen, der sein Schicksal gelebt hat – Sie selbst haben es sich nur vorspielen lassen.

Jetzt hören sie endlich zu, sie kommen auf den Boden, und einer von ihnen landet dort im Wortsinn: zu Franzens Füßen.

Mancher ahnt etwas erkannt zu haben: Ende der bemühten Originalität.

Franz kennt die Gegend und die gewisse Gefahrenstelle an der Straße. Er weiß von dem Unfall und auch, dass der Kleinbus inzwischen abgestürzt ist.

Woher?

Vielleicht ist der Bus schon abgestürzt, bevor jemand aussteigen konnte?
Wer ist Franz?

Wer die indische Wirtin, die freundlicherweise an einem Ruhetag öffnet?



Wunderbar wunderliche Figuren, gespenstische Spielorte,schräge Komik, überraschende Abgründe. Höchst theatralische Figuren sind das. Manche hat man gleich vor Augen, andere werden allmählich plastisch. Eine Sprache die animiert bewältigt zu werden. Die eine oder andere Stelle die ich, zugegeben, nicht verstanden habe, die mich aber dazu einlädt alles nochmals zu lesen. Ein Personal, das uns Theaterleute animiert, ohne jedoch nur Insider anzusprechen.
Stefan Huber (Theaterregisseur)